Lebenslauf
Der am 29. Juni 1950 in Vancouver
(Kanada) geborene Robert Elsie
schloss ein vierjähriges Grundstudium
an der University of British Columbia
(Fachbereich Altphilologie und
Linguistik) im Jahre 1972 ab. In den
darauffolgenden Jahren studierte er
am Indogermanischen Seminar der
Freien Universität Berlin, an der Ecole
Pratique des Hautes Etudes und der
Universität von Paris IV (Sorbonne),
am Dublin Institute for Advanced
Studies in Irland, sowie am Sprach-
wissenschaftlichen Institut der
Universität Bonn, wo er im Jahre 1978
in den Fächern Vergleichende Sprachwissenschaft und Keltologie promovierte.
Ab 1978 besuchte er mehrmals das damals schwer zugängliche Albanien im
Rahmen 'Wissenschaftlicher Begegnungen' zwischen der Universität Bonn und
der Albanischen Akademie der Wissenschaften. Er nahm auch öfters am
Internationalen Seminar für albanische Sprache, Literatur und Kultur in
Prishtina (Kosovo) teil. Diese Reisen weckten in ihm ein leidenschaftliches
Interesse für Albanien, seine Sprache und seine Kultur. Nachdem er albanisch
gründlich gelernt hatte, beschloss er, sich der Albanologie zu widmen und
wurde in den folgenden Jahren in diesem kleinen Fachbereich zu einem
anerkannten Fachmann. Er ist derzeit Autor von ca. sechzig Büchern und
zahlreichen Artikeln, hauptsächlich mit albanologischem Hintergrund.
In den Jahren 1982-1987 war Elsie als Übersetzer und Dolmetscher beim
Auswärtigen Amt in Bonn tätig. In den 1990er und den frühen Jahren des
20. Jh. arbeitete er dann als freiberuflicher Konferenz-Dolmetscher für
Albanisch und nahm in dieser Eigenschaft an zahlreichen hochrangigen
Verhandlungen (deutsche Bundesregierung, NATO, Europäische Union,
Europarat, usw.) teil. Ab 2002 war er vorwiegend in Den Haag (Niederlande)
für den Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien tätig
(ICTY), wo er als Simultandolmetscher u.a. im Prozess gegen Slobodan
Milosevic arbeitete.
Übersicht seiner wissenschaftlichen Publikationen
In seiner Forschungstätigkeit im Rahmen der Albanologie hat sich Elsie
anfänglich der in der westlichen Welt weitgehend unbekannten albanischen
Literatur gewidmet. Unter seinen
früheren Veröffentlichungen sind
Dictionary of Albanian Literature
(Lexikon albanischer Literatur),
Westport, Connecticut, 1986, und die
zweibändige History of Albanian
Literature (Geschichte der albanischen
Literatur), Boulder, Colorado, 1995.
Dieses Band erschien auch albanisch
als Histori e letërsisë shqiptare, Peja 1997,
und polnisch als Zarys historii literatury
albanskiej (Überblick der Geschichte
der albanischen Literatur), Thorn
2004. Er veröffentlichte auch
literarische Übersetzungen englisch
und deutsch, wie das UNESCO-Band
An Elusive Eagle Soars: Anthology of Modern Albanian Poetry (Ein flüchtiger Adler
schwingt empor: Antologie moderner albanischer Lyrik), London 1993;
Albanian Folktales and Legends (Albanische Märchen und Legenden), Tirana
1994; die Werke der nordalbanischer Dichter Migjeni (1911-1938) deutsch als
Freie Verse, Idstein 1987, und englisch als Free Verse, Tirana 1991; die vom
Institut für Auslandsbeziehungen (Stuttgart) geförderte Sammlung Einem
Adler gleich: Anthologie albanischer Lyrik vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart,
Hildesheim 1988; sowie Werke der kosovo-albanischen Dichter Ali Podrimja
(geb. 1942) in Who Will Slay the Wolf: Selected Poetry (Wer tötet den Wolf:
ausgewählte Lyrik), New York 2000; Flora Brovina (geb. 1949) in Call Me by My
Name: Poetry from Kosova (Ruf mich mit Namen: Gedichte aus dem Kosovo),
New York 2001; und Eqrem Basha (geb. 1948) in Neither a Wound nor a Song:
Poetry from Kosova (Weder Wunde noch Lied: Gedichte aus dem Kosovo), New
York 2003. Diese letzteren Übersetzungen wurden in Zusammenarbeit mit der
kanadischen Übersetzerin Janice Mathie-Heck (Calgary) verwirklicht.
Elsies kritischen Schriften zur albanischen Literatur wurde in dem Band
Studies in Modern Albanian Literature and Culture (Studien zur zeitgenössischen
albanischen Literatur und Kultur), Boulder, Colorado, 1996, zusammen-
getragen, das auch albanisch als Një fund dhe një fillim (Ein Ende und ein
Anfang), Tirana & Prishtina 1995, erschien.
Angesichts der gespannten politischen Lage in Kosovo, die der Außenwelt
damals noch unbekannt war, gab er die erste englischsprachige Schrift-
sammlung zu dem Thema heraus, das 600-seitige Band Kosovo: In the Heart of
the Powder Keg (Kosovo: mitten im Pulverfass) Boulder, Colorado, 1997. Darauf
erschien auch die historische Textsammlung zur Kosovo-Krise Gathering Clouds:
The Roots of Ethnic Cleansing in Kosovo and Macedonia, Early Twentieth-Century
Documents (Zusammenziehende Wolken: die Wurzel der ethnischen Säuberung
im Kosovo und in Makedonien, Dokumente aus dem frühen 20. Jh.), Peja 2002.
In den folgenden Jahren widmete sich Elsie zunehmend auch anderen
Bereichen der Albanologie, insbesondere der Volkskultur und der Geschichte.
Einen wesentlichen Beitrag zur albanischen Volkskunde stellte sein Handbuch
zur albanischen Volkskultur, Wiesbaden 2002, dar, das auch englisch als
Dictionary of Albanian Religion, Mythology and Folk Culture (Lexikon albanischer
Religion, Mythologie und Volkskultur), London 2001, und albanisch als
Leksiku i kulturës popullore shqiptare (Lexikon albanischer Volkskultur), Tirana
2005, erschien. Darüber hinaus gab er die deutsche Fassung des bekannten
albanischen Kanuns heraus, Der Kanun: das albanische Gewohnheitsrecht nach dem
sogenannten Kanun des Lekë Dukagjini, Peja 2001; sowie – in Zusammenarbeit mit
Antonia Young (Bradford) und Ann Christine Eek (Oslo) – eine von der
ermordeten norwegischen Anthropologin Berit Backer (1947-1993) verfasste
Studie zum Bauernleben im Kosovo, Behind Stone Walls: Changing Household
Organization among the Albanians of Kosova (Hinter Mauern aus Stein:
Entwicklungen von Haushaltsorganisation unter den Kosovo-Albanern), Peja
2003. Von Bajazid Elmaz Doda (ca. 1888-1933) veröffentlichte Elsie die Studie
Albanisches Bauernleben im oberen Rekatal bei Dibra, Makedonien, Wien 2007.
Im Rahmen der Geschichtswissenschaft, mit der er sich zunehmend
beschäftigte, gab Elsie weitere Bücher heraus. In Zusammenarbeit mit Robert
Dankoff (Universität Chicago) edierte er die von Elsie aus dem Osmanischen
übertragenen Schriften zu Albanien aus dem Seyahatname des osmanischen
Reiseschriftstellers Evliya Çelebi (1611-1683): Evliya Çelebi in Albania and
Adjacent Regions (Ewlija Tschelebi in Albanien und angrenzenden Gebieten),
Leiden 2000. Dieses Buch erschien auch albanisch als Evlija Çelebiu në Shqipëri
dhe në viset fqinje, Tirana 2008. In Paris entdeckte Elsie die Handschrift der
ersten Gesamtgeschichte Albaniens von dem französischen Lazaristen, Jean-
Claude Faveyrial (1817-1893), die er als Histoire de l’Albanie (Geschichte
Albaniens), Peja 2001, herausgab, und die auch albanisch als Historia më e vjetër
e Shqipërisë (Die älteste Geschichte Albaniens), Tirana 2004, erschien. Darüber
hinaus entdeckte und veröffentlichte Elsie das Typoskript des ungarischen
Gelehrten Franz Baron Nopcsa (1877-1933), Reisen in den Balkan, Peja 2001. Auch
dieses Buch ist albanisch erschienen – Udhëtime nëpër Ballkan (Reisen durch den
Balkan), Tirana 2007. In Zusammenarbeit mit Bejtullah Destani (London),
veröffentlichte er das Reisejournal des englischen Dichters und Malers, Edward
Lear (1812-1888), als Edward Lear in Albania: Journals of a Landscape Painter in the
Balkans (Edward Lear in Albanien: Tagebücher eines Landschaftmalers auf
dem Balkan), London 2008, das albanisch als Edward Lear në Shqipëri: ditar
udhëtimesh, 1848-1849 (Edward Lear in Albanien: Reisetagebuch, 1848-1849),
Tirana 2008, erschien. Eine aus verschiedenen Sprachen übersetzte Sammlung
frühhistorischer Texte zu Albanien veröffentlichte er unter dem Titel Early
Albania: A Reader of Historical Texts, 11th-17th Centuries (Das frühe Albanien:
Lesebuch historischer Texte, 11.-17. Jh.), Wiesbaden 2003.
Da Albanien und Kosovo in Europa weiterhin relativ unbekannt blieben,
bereitete Elsie zwei grundlegende Handbücher vor: Historical Dictionary of
Albania (Historisches Lexikon zu Albanien), Lanham, Maryland, 2004; und
Historical Dictionary of Kosova (Historisches Lexikon zu Kosovo), Lanham,
Maryland, 2004, die trotz Titel eher als allgemeine Lexika als rein historische
Handbücher zu betrachten sind.
Im Bereich der Literatur veröffentlichte Elsie eine neue, etwas straffere
Literaturgeschichte, Albanian Literature: A Short History (Albanische Literatur:
eine kurze Geschichte), London 2005, die auch albanisch als Letërsia shqipe: një
histori e shkurtër (Albanische Literatur: eine kurze Geschichte), Tirana 2006,
erschien. Es erschienen in diesen Jahren auch weitere literarische Über-
setzungen aus dem Albanischen, wieder in Zusammenarbeit mit Janice
Mathie-Heck: ausgewählte mündlich überlieferte Kurzepen in Songs of the
Frontier Warriors: Këngë Kreshnikësh, Albanian Epic Verse (Lieder der Grenz-
krieger, Këngë Kreshnikësh, Albanische Versepen), Wauconda, Illinois, 2004;
Prosaübersetzungen der nordalbanischen Schriftsteller Ernest Koliqi (1903-
1975) und Migjeni in Tales from Old Shkodra: Early Albanian Short Stories
(Erzählungen aus dem alten Shkodra: frühalbanische Kurzgeschichten), Peja
2004; die gesammelten Werke des albanischen Dichters Visar Zhiti (geb. 1952)
in The Condemned Apple (Der verurteilte Apfel), Los Angeles 2005; die erste
englischsprachige Anthologie albanischer Kurzgeschichten, Balkan Beauty,
Balkan Blood: Modern Albanian Short Stories (Schönheit und Blut auf dem Balkan:
moderne albanische Kurzgeschichten), Evanston, Illinois, 2006; ein Roman des
Schriftstellers Fatos Kongoli (geb. 1944) unter dem Titel The Loser (Der Verlierer,
dt. Die albanische Braut), Bridgend, Wales, 2007; das lyrische Werk des kosovo-
albanischen Dichters Azem Shkreli (1938-1997) in Blood of the Quill: Selected
Poetry from Kosovo (Das Blut der Feder: ausgewählte Lyrik aus dem Kosovo),
Los Angeles 2008; eine ausführliche historische Anthologie albanischer Lyrik,
Lightning from the Depths: An Anthology of Albanian Poetry (Blitzschläge aus der
Tiefe: Anthologie albanischer Lyrik), Evanston, Illinois 2008; der Roman der in
Paris lebenden Schriftstellerin Ornela Vorpsi (geb. 1968) The Country Where
No One Ever Dies (Das Land, in dem niemand stirbt, dt. Das ewige Leben der
Albaner), Champaign, Illinois, 2009; und weitere Übersetzungen mündlich
übertragener Lyrik in dem Band von Anna Di Lellio (New York), The Battle of
Kosovo, 1389: An Albanian Epic (Die Schlacht auf dem Amselfeld, 1389: ein
albanisches Epos), London 2009.
Seine wohl anspruchsvollste literarische Übersetzung – wiederum in
Zusammenarbeit mit Janice Mathie-Heck – war das im gegischen Dialekt
verfasste Epos des Paters Gjergj Fishta (1871-1940), The Highland Lute:
The Albanian National Epic (Die Laute des Hochlandes: das albanische
Nationalepos), London 2005, ein Werk in dreißig Gesängen und 15.613 Zeilen.
Die Neuveröffentlichung dieses unter dem kommunistischen Regime streng
verbotenen Epos wurde in Nordalbanien mit Freude begrüßt.
Frühe Fotografien aus Albanien und aus dem Südosten Europas haben Robert
Elsie lange fasziniert. Hierzu hat er zwei große Fotoalben herausgegeben.
Writing in Light: Early Photography of Albania and the Southwestern Balkans
(Lichtschrift: Frühe Fotografie in Albanien und dem Südwesten der
Balkanhalbinsel), Prishtina 2007, umfasst die frühsten in dem Gebiet
aufgenommenen Fotografien – fünfzig Aufnahmen des Wiener Fotografen Josef
Székely aus dem Jahre 1863 – sowie die Fotosammlungen des Franz Baron
Nopcsa, des Bajazid Elmaz Doda, des österreichischen Gelehrten Maximilian
Lambertz (1882-1963), und der niederländischen Militärmission in Albanien der
Jahre 1913-1914. Er brachte auch in einer dreisprachigen – englisch, französisch,
albanisch – Ausgabe die ersten Farbfotos von Albanien und Kosovo heraus, die
Autochromen der Albert-Kahn-Sammlung in Paris, unter dem Titel Albania and
Kosova in Colour, 1913 (Albanien und Kosovo in Farben, 1913), Tirana 2010.
Neuerschienen sind die wesentlich erweiterten Zweitausgaben der oben
erwähnten Handbücher, das 660-seitige Historical Dictionary of Albania
(Historisches Lexikon zu Albanien), Lanham, Maryland, 2010, und das 451-
seitige Historical Dictionary of Kosovo (Historisches Lexikon zu Kosovo),
Lanham, Maryland, 2011. Diese zwei Handbücher sind auch ins Albanische
übersetzt worden.
Obgleich die Albanologie Hauptaugenmerk der Forschungstätigkeit und
dementsprechend auch der Veröffentlichungen von Robert Elsie gewesen ist,
hat er auch in anderen Bereichen anerkannte Werke veröffentlicht. Unter diesen
sind: Dialect Relationships in Goidelic: A Study in Celtic Dialectology (Dialekt-
beziehungen im Goidelischen: eine Untersuchung keltischer Dialektologie),
Hamburg 1986; die Lyrikanthologien The Pied Poets: Contemporary Verse of the
Transylvanian and Danube Germans of Romania (Eine bunte Dichterpalette: die
zeitgenössische Lyrik der Siebenbürger Sachsen und Donauschwaben
Rumäniens), London 1990; und An Anthology of Sorbian Poetry from the 16th-20th
Centuries (Anthologie sorbischer Lyrik vom 16. bis zum 20. Jh.), London 1990,
sowie eine deutsche Übertragung des modernen griechischen Dichters
Konstantinos Kavafis (1863-1933) in Konstantinos Kavafis: Das Gesamtwerk,
griechisch und deutsch, Zürich 1997.
Elsies Stellung als eine der führenden Figuren der heutigen Albanologie ist
seit den 90er Jahren durch seine großen, stetig erweiterten Internetportale
untermauert worden, die breit gefächerte Kenntnisse zur albanischen Kultur
anbieten.
Vor seinem unerwarteten Tod am 2. Oktober 2017 hat Robert Elsie noch einige
Arbeiten beendet. Sie werden posthum auf der Website www.elsie.de
veröffentlicht. Die Bücher "Albania Bektashi" und "Kosovo Book" werden in
absehbarer Zeit im Tauris Verlag in London veröffentlicht.
Robert Elsie 2015
In großer Trauer teilen wir mit, dass Dr. Robert Elsie am 2.10.2017
an der seltenen Erkrankung MND verstorben ist.
Robert Elsie 2005
Robert Elsie 2010
Robert Elsie 2010
Robert Elsie 2011